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Das SOWR-Monster

Damit Sie auch in der dunkelsten Börsennacht gut schlafen können 7. September 2023


Eins, zwei: Freddy kommt vorbei
Drei, vier: Schliess ab deine Tür
Fünf, sechs: Nimm dein Kruzifix
Sieben, acht: Schlaf nicht ein bei Nacht
Neun, zehn: Du sollst nicht schlafen gehen

Quelle: Film - Freddy Krueger - Nightmare on Elm Street

A Nightmare on Elm Street ist ein Horror-Slasher-Film aus dem Jahre 1984, in dem ein monströser Killer mit einer Klingenklaue, Namens Freddy Krueger, Kinder in ihren Träumen heimsucht und aus Rache meuchelt. Das einzige Hilfsmittel für die Kinder ist, nicht schlafen zu gehen.

Der Film ist gruselig, packend, verstörend und genial. Ohne CGI-Möglichkeiten wurde ein für diese Epoche massgebender Slasher-Film auf eine Generation von Jugendlichen und Erwachsenen losgelassen, die genau auf so etwas gewartet hatten. Die Figur von Freddy Krueger wurde rasch Kult, der Film ein Meilenstein der Slasher-Filmgeschichte.

Was ist das SOWR-Monster ?

Das Monster, das Rentenportfolios meuchelt, heisst SOWR, Sequence of Withdrawal Risk. Entnahme-Sequenz Risiko. Dazu gibt es auch schon einen ersten Blog. SOWR Versicherung

Es ist dasjenige Monster, das viele FIRE-Kinder, Financial Independence Retire Early, auf Deutsch: Finanzielle Unabhängigkeit Früher Renteneinstieg, in ihren Träumen heimsucht.

Nimmt eine zukünftige Rentenbezüger:in das SOWR-Monster ernst, hindert es nämlich diejenige, eine hohe fixe Entnahmequote zu errechnen und sich auf das wohlverdiente Hinterteil zu setzen.

Nimmt eine zukünftige Rentenbezüger:in das SOWR-Monster nicht ernst, kann es sein, dass das Monster die Kapitalbezüger:in in den Rentenar... . beisst und zu Albträumen verleitet.

Es gibt nur wenige Möglichkeiten, das SOWR-Monster zu bezwingen:

Aber wie im Freddy Krueger Film, in welchem die Kinder krampfhaft versuchen ihre Eltern zu überzeugen, dass da ein Monster auf sie warte, diese von den Eltern aber schlicht ignoriert werden, ist es eine schlechte Idee das SOWR-Monster nicht ernst zu nehmen.

Ein Risiko von 3 Prozent, dass ein Portfolio untergehen kann, hört sich vorerst nicht wirklich bedrohlich an. In 97 Prozent der Fälle reiten wir in den Sonnenuntergang. Ausser man ist eine:r dieser 3 von Hundert.

Gibt es einen Mittelweg ? Diese Frage hat mich in den letzten Monaten beschäftigt.

Eine realistische, sichere, fixe Entnahmerate, bei der ein Portfolio auch in vierzig und mehr Jahren nicht untergehen sollte, ist kleiner gleich 3.25 Prozent.

Dazu gibt es vielfache Berechnungen und Simulationen auf dem Internetz. Unter anderem auch von Karsten Jeske aka Big Ern auf earlyretirementnow, einem deutschen Expat aus Vancouver, dessen Werk und Humor ich sehr schätze.

3.25 Prozent ist nur bedingt berauschend. Bei einem Kapitalstock von 500'000 CHF, sind das 1'354 CHF pro Monat. Selbst mit der gesetzlichen Rente dazu droht die Altersarmut.
Ich möchte alle, die mit weniger auskommen müssen, um Entschuldigung bitten, falls sich die gemachte Aussage arrogant anhören sollte. Es ist nicht die Absicht von mir, jemanden zu beleidigen.

Heisst das nun, dass Madame und ich solange arbeiten müssen, bis unser Kapitalstock auf fantastische Höhen anwächst ?

Glücklicherweise nicht ! Denn es gibt Hoffnung, selbst wenn wir in der teuren Schweiz bleiben würden, was aber sowieso kaum der Fall sein wird.

Zwar hüpft nicht ein magisches, weisses Geldkaninchen aus dem Zauberhut, aber selbst Madame und ich sind bereit uns zwischenzeitlich einzuschränken. Es gibt durchaus Budgetpositionen mit Einsparpotenzial. Aber wir möchten uns nur zwischenzeitlich und nicht für immer einschränken müssen.

Die Grundidee hinter der Hoffnung nennt sich VPW, Variable Percentage Withdrawal, auf Deutsch: Variable Entnahme Prozente.

Die Bogleheads haben dazu sogar ein Spreadsheet entwickelt Spreadsheet der Bogleheads

Die VPW Methode ist, wie es der Name schon vermuten lässt, eine variable Entnahmeregel, aber deutlich cleverer als eine einfache jährlich angepasste, variable: Mögliche Entnahme = x/n Berechnung. x = Aktueller Wert des Portfolios, n = Anzahl verbleibende Entnahme-Jahre

Denn entgegen der x/n Methode werden bei der VPW Methode auch zukünftige Erträge eingerechnet. Um den aktuellen Entwicklungen Rechnung zu tragen, muss die VPW Methode deshalb jedes Jahr, zusammen mit dem Rebalancing, angewendet werden.

Was kriegen wir mit dieser Methode ?

Die VPW Entnahmestrategie optimiert den Prozess, um über die vordefinierte Zeit das Portfolio komplett aufzubrauchen. Ist also primär für diejenigen geeignet, die im schlechtesten Fall kaum, oder nur wenig Kapital den Hinterbliebenen überlassen möchten.

cfiresim.com hat die VPW Berechnungsmethode in ihre Simulationen mit aufgenommen. Und siehe da, in vielen Fällen wird es so möglich, entlastend mehr als nur die 3.25 Prozente aus dem Portfolio zu entnehmen.
Wird man nicht gerade gierig und setzt sich eine vernünftige obere Entnahmelimite, dann ist es möglich die Entnahme substanziell zu erhöhen. Denn nur in gewissen Perioden sind die 3.25 Prozent gefordert. Diese Perioden können leider, wie in den 70er Jahren, dann aber auch mal eine Dekade dauern.

Vergleich der Entnahmen
Ohne VPW Methode Mit VPW Methode
Ohne VPW Ohne VPW

Quelle: cfiresim.com: Mit 4 Prozent Entnahmerate über eine Dauer von 30 Jahren

Nichtsdestotrotz sollte ein Budget basierend auf einem Ertrag von 3.25 Prozent nicht unrealistisch sein. Übersteigt ein temporäres Sparbudget die 3.25 Prozent deutlich, dann ist inhärentes Risiko im Portfolio nicht absprechbar. Selbstredend kann dies problemlos aufgehen. Es wird sogar in den meisten Fällen aufgehen.

Aber falls Sie dieses Risiko eingehen wollen, dann seien Sie nicht überrascht, wenn die Kinder der Nachbarschaft unvermittelt anfangen zu singen:

Eins, zwei: Freddy kommt ... .