TINA, oder ist die Wüste wirklich sauber? das ist hier die Frage.
So unmöglich diese Antwort auf den ersten Blick einen Sinn ergibt, so klar und deutlich können wir die Antwort mit dem englischen Begriff TINA verknüpfen. TINA = There is no alternative.
Bevor ich diese doch etwas verrückte These der Verknüpfung aufschlüssle, erlauben Sie mir einen Ausflug in die beiden Themengebiete.
Nicht, ohne vorher noch einen weiteren Begriff in die Runde zu werfen:
Berater, Vermittler, Agent = Jemand, der gegen Bezahlung, Tips, Vorschläge und Produkte anbietet,
ohne den Erfolg der Beratung zu garantieren, oder für den Erfolg der Beratung zu haften.
Der Nobelpreisträger Harry M. Markowitz wird oft mit dem Zitat Don't put all your eggs in one basket in Verbindung gebracht, einem Theorem aus der Diversifikationstheorie. Auch wenn er das Zitat vielleicht nicht persönlich so von sich gegeben hat, so passt es doch gut zu seinen Arbeiten.
Der Nobelpreisträger hat mit seiner Interpretation der Kapitalmarkttheorie die Korrelation von Risiko und Rendite untersucht und ist zum Schluss gekommen, dass, in einem rationalen Markt, eine höhere Rendite auch immer ein höheres Risiko bedeutet.
Per Definition beinhaltet ein Risiko die Komponenten einer Eintrittswahrscheinlichkeit und einer Zeitbetrachtung. Die Frage bei einem Risiko ist also nicht ob es eintrifft, sondern nur noch wann und in welchem Umfang.
In der letzten Zeit beobachten führende Markteilnehmer allerdings,
dass sich die Rationalität immer mehr aus dem Kapitalmarkt verabschiedet.
Sowohl der Chefstratege der Citigroup Tobias Levkovic, als auch der Chefstratege von Merrill Lynch
Michael Hartnett geben sich auffallend skeptisch, ob am Amerikanischen Aktienmarkt im 2021
noch alle Sinne wohlgeordnet sind.
So liess sich Levkovic sogar zur Aussage verleiten,
dass die Wahrscheinlichkeit am US-Aktienmarkt in den nächsten 12 Monaten Geld Stand 2021 zu verlieren bei 100% liegen werde.
Die Aussagen liegen nicht ganz fern, wenn man den einfachen Fakt berücksichtigt, dass der Dow Jones
Industrial Average in den letzten 10 Jahren seinen Wert verdreifacht hat.
Lägen dieser Wertentwicklung
reale Werte dahinter, dann müssten die im Dow vertretenen Firmen ihre inneren Werte ebenfalls verdreifacht haben.
Oder diese Wertentwicklung mittelfristig erreichen können.
Ich persönlich bin nicht überzeugt, ob z.B. Coca Cola in den letzten 10 Jahren dreimal mehr
Getränke verkaufen oder die Rendite des Verkaufs derselben Getränke verdreifachen konnte.
Selbiges gilt für 3M, Boing, McDonalds, Visa etc.
Ganz zu schweigen von den grossen Techkonzernen Amazon, Facebook, Google/Alphabet und Co.
Wenn sich der
Aktienwert eines Techkonzerns innerhalb eines Jahres fast verzwanzigfacht, dann ist Ratio wohl nicht präsent.
Insbesondere dann, wenn der Gewinn dieses Konzerns bis jetzt nur aus dem Handel mit
Umweltzertifikaten generiert wird. Der Verkauf des Kernprodukts Auto aber höchst defizitär bleibt.
Von wo kommt also dann diese Gier nach Dow Jones Titeln? Dieses unbändige Verlangen
weiter solche Aktien zu kaufen, obwohl selbst Urgesteine wie Harnett scheinbar bereits kalte Füsse bekommen?
Die Antwort mag wohl TINA sein. Der Begriff ist unsäglicherweise weiblich konnotiert. Aber SMSB ist leider nicht so einprägsam.
SMSB = Stupid men still buy
Kapital sucht immer nach Rendite. Und in dieser Zeit ist die Suche nach der
schnellen und ergiebigen Rendite zu einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen verkommen.
Wie von Markowitz wohl erkannt, würde der rationale Markt nun einfach einen Weg suchen, um die Rendite zu erwirtschaften, die einem ebenbürtigen Risiko gegenübersteht.
In Zeiten wo Bonds, Sachwerte wie Immobilien, andersartige Commodities und vieles mehr kaum noch Rendite erzielen, sucht sich das Kapital den Zugang zu letztmöglichen Renditequellen. Und die alleinig verbleibende Quelle stellt derzeit eben beinahe nur der Aktienmarkt dar.
There is no alternative: Obwohl es den Anlegern schon lange nicht mehr wohl ist bei ihrem Tun, wird weiterhin am Aktienmarkt investiert, als gäbe es keine Risiken mehr. Die Gier nach Rendite frisst unterdessen jede Rationalität.
Was hat die Wüste mit Investitionen und Kapital zu tun, mögen Sie sich fragen.
Hier stelle ich dann immer eine Gegenfrage: <Waren Sie schon einmal in einer Wüste?>
Ich darf auf eine lange Reisezeit in meinem Leben zurückschauen. Dabei habe ich Sandwüsten, Steinwüsten und Salzwüsten bereist. Und je mehr ich von diesen unwirklichen, lebensfeindlichen Gebieten bereist habe, desto mehr kam ich zu eben der genau gleichen Erkenntnis, wie die Figur von Lawrence of Arabia. Die Wüste ist tatsächlich sauber.
Sauber vor störenden Einflüssen. Rein in ihrer Unendlichkeit. Robust und unbarmherzig zu jedem, der sie nicht respektiert. Die Klarheit des Nachthimmels in einer Wüste nimmt jedem Betrachter den Atem. Das Herz stockt und die Gewalt der Eindrücke erschlägt einem beinahe.
Pure Rationalität ist die einzige Möglichkeit, in der Wüste überleben zu können. Entledigt man sich nicht sämtlicher Gier, erfährt man die Bedeutung eines Risikos unmittelbar.
Will man in der Wüste überleben, dann braucht es Logik und Verstand, nicht Gier und Sensationslust.
Ist der Aktienmarkt denn eine Wüste?
Vor allem Kleinanleger beklagen sich beim Platzen von Aktienblasen immer laut, die Grossen würden davonkommen, während die Kleinen die Zeche bezahlen müssten.
Ich hatte mit mir noch niemals erbarmen, wenn meine Gier wieder einmal zugeschlagen hatte und mir potentielle Renditen verhagelte.
Denn, der Kapitalmarkt kennt kein Erbarmen. Er kennt Gier, Lust und Schadenfreude, aber kein Erbarmen. Es wird auch niemand gezwungen am Kapitalmarkt teilzunehmen vom eigenen Geld in der Pensionskasse mal abgesehen.
Aber wie schon Markowitz klar positioniert, hat eben die Rendite einen direkten Zusammenhang mit Risiko. Wollen wir also Rendite erzielen, müssen wir ein gewisses Risiko eingehen.
Trotzdem würde, um bei der Analogie der Wüste zu bleiben, niemand eine Tour in eine solche Umgebung beginnen, die ein Berater für Geld zusammengestellt hat. Vor allem dann nicht, wenn der Berater weder garantieren kann, dass man wieder heil zurückkommt, noch wenn der Berater bei der Tour nicht selber mitkommt.
Täglich werden aber Finanzprodukte, Aktien und sonstige Investments aus Kapitalmärken verkauft und vermittelt, bei deren Vermittlung ein Analyst, Finanzfachmann, Banker oder Berater eine Gebühr einnimmt, aber weder den Erfolg garantiert, noch den Anleger begleitet. Dieses Tun ist in keinster Weise bösartig. Sondern es ist das unterliegende Geschäftsmodell.
Ganze Generationen geben ihre Ersparnisse in die Hand von Beratern. Investieren in Produkte, die sie noch nicht einmal benennen können. Oder erwerben Aktien von Firmen, von denen sie nicht einmal wissen, was diese produzieren oder wie diese ihre Gewinne erwirtschaften.
Die Fragen, die sich gegen Ende dieses Blogs also stellen, sind ähnlich wie diejenige, die Sie sich stellen müssen, bevor sie die Wüste bereisen:
Wenn Sie nach dem Beantworten der Fragen zur Erkenntnis kommen, dass sich das Risiko lohnt, ohne Wasser und Ausrüstung eine Wüste zu bereisen, dann erwarten Sie kein Erbarmen.
Auch nicht, wenn im Finanzprospekt der Vermittlung, wunderschöne Bilder und Grafiken eine unvergleichbare Reise in die Wüste des Finanzmarktes versprochen haben. Obwohl sie nicht wussten, was die Bilder und Grafiken bedeutet haben.
Wollen Sie Ihr eigener Tourguide oder Berater werden? Dann lesen Sie die kommenden Blogs über Investitionen.
Finale Anmerkung: Es geht mir in diesem Blog ausdrücklich nicht darum, einen ganzen Berufsstand
in Verruf zu bringen.
Viele Finanzberater arbeiten hochseriös und versuchen tatsächlich für
ihre Kunden das Beste herauszuholen und den Kunden die Risiken ihres Tuns genau zu erklären.
Nichts desto trotz ist es ein Fakt, dass das Risiko ausschliesslich beim Kunden verbleibt und sich
die Berater für ihre Tätigkeit teils fürstlich entlöhnen lassen.
Eine Entlöhung, die einen grossen Teil der Rendite des Kunden wegfressen kann.